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Gemshorn & Co.: Welche Instrumente wir sonst noch so spielen

Die Instrumente

Von der Geburt des Thüringer Alphorns

Es ist Anfang August 1995. Vor der Tischlerwerkstatt in Neufrankenroda – zwischen Gotha und Eisenach gelegen – steht ein roter VW-Golf, aus dessen geöffneter Heckklappe drei Fichtenstämme herausragen. Zehn Tage später ein ähnliches Bild, jetzt lugen drei Alphörner aus dem Auto. Wie kommen drei Hornisten der Staatskapelle Weimar sowie ein Tubist dazu, ihren Urlaub auf diese Weise zu verbringen?

Ich erinnere mich an das Jahr 1987, als ich zum ersten Mal ein Konzert für Alphorn und Orgel erlebte. Ich war vom Klang beeindruckt und träumte davon, selbst eines zu besitzen. Als frischgebackener Weimarer Hornstudent hatte ich von der "Szene" keine Ahnung, auch die Schweiz war weit weg und die Kasse knapp. Also erschien mir der Selbstbau die beste Möglichkeit zu sein.

Als im Thüringer Wald aufgewachsener Förstersohn fiel es mir nicht schwer, einen geeigneten Baum ausfindig zu machen. Im Januar 1991 wurde dieser am Fuße des Inselsberges gefällt. Er brauchte anderthalb Jahre Trockungszeit, bevor ich dann im Juli 1992 ans Werk gehen konnte. Mein Rüstzeug: ein Elektrohobel, zwei Stechbeitel, vier Schraubzwingen und eine gehörige Portion Idealismus.

Ganz so fremd ist den Thüringern das Alphorn nicht, gibt es doch im Thüringer Wald eine kleine Verwandte des Alphorns – die Hirtenschalmei. Noch bis 1974 wurden in Tabarz die Kühe mit ihrem Klang täglich auf die Waldwiesen getrieben. Ich besuchte den 70jährigen Tabarzer Hirtenschalmeienbläser Karl Hellmann und beobachtete ihn bei der Arbeit. So wußte ich dann wenigstens, wie ich die Mensur des Alphorns nicht bauen wollte, denn die Hirtenschalmei ist innen zur Hälfte zylindrisch und zur Hälfte konisch gestaltet, was dazu führt, daß der tiefste Naturton zu tief klingt.

Nach der Fertigstellung des 12 Kilo schweren, in D gestimmten Prototyps von 4,28 m Länge, kehrte im Sommer 1992 für fast ein Jahr Ruhe ein – der aus einem Stück bestehende Koloß war fast untransportierbar.

Dieses Problem wurde im September 1993 von dem Gothaer Instrumentenbauer Johannes Keilwerth durch Anbringen einer verstell- und verschraubbaren Messingmanschette gelöst.

Bei einem Spaziergang der drei Hornisten reifte der Plan, dem Alphom Geschwister zu geben.

So wurden im Februar 1994 wieder zwei Bäume in der Nähe des Inselsberges gefällt und im Sommer ein weiterer im Schwarzatal nahe Rudolstadt ausfindig gemacht. Im August 1995 war es dann soweit: Vier Profimusiker hatten es geschafft, sich zwei gemeinsame Urlaubswochen freizuhalten.

Der Bauanfang verlief lautstark. Zunächst mußten die fast zwei Zentner schweren Stämme auf die spätere äußere Form gebracht werden und damit auch auf ein handliches Gewicht. Nach 24 Stunden waren insgesamt 1000 Liter Späne gehobelt. Dann wurden die Linien für die Längsteilung gezogen, und es standen pro Stamm fünf Stunden Sägearbeit mit dem Fuchsschwanz bevor. Warum von Hand? 1992 hatte ich die Längsteilung auf einer Langholzkreissäge mit einem Sägeblatt von einem Meter Durchmesser vorgenommen. Dadurch entstand eine sehr grobe Sägenaht, und es ging zuviel Holz verloren. Nun gab uns die Handsäge wesentlich mehr Kontrolle über die Gestaltung des Schnittes.

Nach dem Sägen wurden analog zu den Außenkanten die Innenkanten zum Auskehlen markiert, ein gleichmäßiger Konus angestrebt. Mehrere Tage erschallten nun Holz- und Gummihämmer, um den Hörnern die innere Form zu geben.

Nachdem die Innenseiten der Stämme lackiert waren, ging es an das abenteuerliche Zusammenleimen der Hälften. 36 Schraubzwingen wurden angesetzt. Das Horn mußte sehr gut gelagert werden, damit es sich nicht unter dieser Last bog und brach.

Welche Freude, als dann die ersten Töne erklangen! Die Mundröhren wurden so konstruiert, daß die gewohnten Horn- und Tubamundstücke hineinpaßten. Die D-Stimmung des "Prototyps" wurde durch "Feinstimmung" mit der Säge erreicht. Glatthobeln und Schleifen der Außenseiten, Auftragen der Firnis und das Anbringen der Füßchen machten die zweiwöchige Arbeit komplett.

Das Alphorn-Ensemble spielt zum ersten mal
Die Alphörner erklingen zum ersten Mal gemeinsam.

Der Ton macht die Musik. Das konnte gleich an dem die Bauphase abschließenden Sonntag beim Gemeindefest in Gotha-Siebleben unter Beweis gestellt werden, auf dem die Instrumente erstmals in der Öffentlichkeit erklangen.

Stephan Katte

Ohne Anspruch auf vollständige Darstellung aller Arbeitsschritte sollen diese Fotos einen Eindruck der zwei Wochen währenden Entstehung der Alphörner geben.

Die Stämme für den Alphornbau werden antransportiert
Schwertransport mit Überlänge: Anfahrt der Stämme

Aus diesen Rohlingen sollen Alphörner werden
Die Rohlinge harren ihrer Bearbeitung.

Die Alphorn-Form wird mit dem Hobel herausgearbeitet
24 Stunden hartnäckiges Hobeln brachte die Stämme in Form.

Der Alphorn-Rohling wird aufgesägt
5 Stunden Sägen mit Muskelkraft.

Die Hälften werden ausgestemmt
Grobes Ausbeiteln der Hälften ...

Das Mundrohr wird ausgebildet
... und feines Nacharbeiten des Mundrohres

Zwei halbe Alphörner warten darauf, wieder vereint zu werden
Das Ergebnis nach einer Woche Hammerschwingen

Das Alphorn wird präpariert
Holzschutzbehandlung der Innenseiten.

Die Hälften werden zusammengeleimt
Vereinigung zweier Alphornhälften mit Hilfe von Holzleim und 36 Schraubzwingen

Die fertigen Alphörner fahren zum ersten Konzert
Geschafft! Fahrt zum ersten Konzert.

 
 
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